Datum: 26.08.2018
Mittagsposition: 61° 13,5 N 0° 34,6 E
Das Wetter: bewölkt mit Regenschauern zwischendurch
Titel/Überschrift: Öl!
Liebe Menschen in der Heimat,
der heutige Tag begann ruhig, denn die Maschine konnte in der Nacht abgestellt werden. Als meine Wache heute Mittag aufzog, waren unsere Vorgängerwachen bereits fleißig und haben alle Rahsegel gesetzt. Damit waren auch erstmals die Bram und Royal (also die oberen beiden Segel) am
Vor- und am Großtopp aus ihren Zeisern befreit worden – der Tag versprach segeltechnisch vielversprechend zu werden! Wir brassten noch ein wenig und suchten dann bei einem Niedergang etwas Schutz vor dem einsetzenden Regen, der aber zum Glück nicht lange andauerte. Die sich anschließenden Arbeiten dienten vor allem der Deckspflege. So sind einige aus unserer Wache mit Flaschen voller schmierigem Labsal unterwegs gewesen und andere lernten in einem Mini-Nähkurs bei Leichti Sandra das Herstellen von Taklingen.
Für unseren Ausguck war hingegen Rushhour angesagt. Öl-Plattformen tauchten noch und nöcher am Horizont auf und alle mussten sie bei Steuermann Bernd gemeldet werden, der irgendwann nur noch müde lächelnd nickte anstatt wie üblich ein aufrichtiges „Dankeschön“ zu erwidern. Beim Segeln auf der Schatzkammer Norwegens stellt man sich unweigerlich die Frage, wie lange hier noch aus dem Vollen geschöpft werden kann angesichts der zahlreichen Förderstellen. Ganz generell hat man als Ausguck viel Zeit zum Nachdenken, am meisten in der Nacht, wenn man allein auf der Back (ganz vorne am Schiff) steht und mit dem Fernglas den Horizont nach Objekten absucht.
Jeder hat dann auch seine eigene Strategie zu verhindern, dass er auskühlt, denn an der Spitze des Schiffes ist man ohne Schutz Wind und Wetter ausgesetzt. Mögliche Bewegungsformen zum Erhalt der Körperwärme sind dann lediglich das stumpfe Hin- und Hergehen zwischen Backbord- und Steuerbordreling. Ich habe für mich entschieden, dass Singen ein probates Mittel ist. Bisher war ich offenbar auch immer leise genug, denn beschwert hat sich noch niemand. Heute Mittag allerdings war ausreichend Bewegung angesagt, das Gesangsrepertoire kann also frühestens in der Nacht erweitert werden.
Das Wetter ist insgesamt schlechter geworden. Die Sonne fand Lerwick wohl ebenso schön wie wir und ist einfach dort geblieben. Derzeit sind Wolken und Regen unsere ständigen Begleiter. Es kam mittlerweile schon öfters vor, dass die Wecktrupps trockenes Wetter übermittelten, dann aber im Laufe der nächsten 20 Minuten ihre Ansage noch einmal in „es schüttet aus Kübeln“ korrigierten. Das kalte Nass von oben macht das Deck und besonders die Niedergänge glitschiger, der ein oder andere von uns musste dies schon schmerzhaft feststellen.
Wir haben mittlerweile den achten Tag unserer Reise erreicht und damit nähern wir uns auch langsam ihrem Ende entgegen. Das ist immer der Zeitraum, in dem sich die Wachen Kleinigkeiten als Dankeschön für ihre Toppsis ausdenken. Neben dem Verwalterbüro, wo ich gerade sitze, rödelt die 8-12-Wache kräftig – ich bin gespannt auf das Ergebnis! Bis es soweit ist, werden wir aber noch ein paar Seemeilen zurücklegen. In den letzten Minuten hat der Wind aufgefrischt und wir pflügen nun deutlich schnittiger durch die See, als wir es noch vor ein paar Stunden taten. Hoffentlich bleibt das so – drückt uns die Daumen!
Die Grüße gehen heute ganz besonders an die Daheimgebliebenen in Österreich und der Schweiz, die habe ich nämlich bei meinem vorletzten Bericht schändlicherweise vergessen – mea culpa!
Außerdem sendet die gesamte Crew einen herzlichen Gruß nach Bayern zu Matrose Bernhard, der aus gesundheitlichen Gründen leider die Rückreise antreten musste. Bernhard, alles Gute Dir!
Saskia für die Crew der Alex II
PS: In diesem Text sind insgesamt drei Reminiszenzen zur Überschrift vorhanden. Wer findet sie?

